Schweizer Buchhandels- und
Verlags-Verband SBVV

Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 5/2025 vom 06. Februar 2025

5. Bibliotheken und Buchhandel
5. Interview mit Dani Landolf, Leiter Kornhausbibliotheken Bern

Die Vergabepraxis von Bibliotheken war letztes Jahr in die Schlagzeilen geraten, weil die Pestalozzi-Bibliothek in Zürich in ihrer neuen Vergabepraxis die traditionelle Bindung an die lokalen Buchhandlungen weitgehend aufgelöst hat, vor allem zugunsten von Orell Füssli Thalia. Die Bibliotheken befinden sich in einem grossen Veränderungsprozess. Auch die Kornhausbibliotheken kündigten im Frühling 2024 eine grössere Reorganisation an. Wo steht ihr?
Dani Landolf:
Ab April 2025 werden wir rund 90 Prozent unserer Medien – physische Bücher wie auch Hörbücher – beim Schweizerischen Bibliotheksdienst SBD hier in Bern aufbereiten lassen, das heisst folieren, signieren und katalogisieren. Das machen wir aktuell alles im Kornhaus. Um gute Konditionen zu erhalten, werden wir künftig auch wieder einen Teil unserer Bücher über den SBD beziehen, wie das die Kornhausbibliotheken bis 2014 bereits getan haben. Das betrifft gut die Hälfte des Medienkredits für physische Bücher und Hörbücher. Die andere Hälfte des Medieneinkaufs wird aber weiterhin über den lokalen Buchhandel laufen.

Die grösste Bibliothek von Bern bezieht auch nach der Reorganisation die Hälfte der Bücher über den unabhängigen Buchhandel – allerdings weniger als vorher. Sind das nun gute oder schlechte Neuigkeiten?
Nun ja, das kommt auf die Perspektive an. Angesichts des Kostendrucks, unter dem wir stehen, finde ich es gute Neuigkeiten, dass wir die Hälfte der Bücher weiterhin bei den Unabhängigen beziehen. Jedoch sehen das die drei Berner Buchhandlungen, die durch die Neuorganisation Umsatzeinbussen zu verzeichnen haben, natürlich anders. Trotzdem werden die Kornhausbibliotheken beim Chinderbuechlade und Sinwel, sowie bei Stauffacher, auch künftig für mehr Geld einkaufen als bei allen anderen Buchhandlungen der Stadt, wo sich unser Einkaufsvolumen nicht verändert. Auch der Münstergass-Buchhandlung haben wir für 2025 den gleichen Umsatz zugesagt wie im Durchschnitt der letzten vier Jahre. Wer jetzt also behauptet, die Schliessung der Münstergass-Buchhandlung habe mit den Kornhausbibliotheken zu tun, verbreitet wider besseren Wissens falsche Tatsachen. Die Kornhausbibliotheken sind und bleiben ein wichtiger Partner des Buchhandels – und zwar aus Überzeugung.

Warum dürft ihr die lokalen unabhängigen Buchhandlungen in Zukunft überhaupt noch so stark berücksichtigen? Die Pestalozzi-Bibliothek argumentierte bei Ihrem Entscheid im Sommer, ihr seien politisch die Hände gebunden, weil sie verpflichtet sei, auf Kostensenkung und auf grosse Pakete zu fokussieren.
Die Situation präsentiert sich bei uns etwas anders. Zum einen sind wir eine unabhängige Stiftung, zum andern ist unser Einkaufsvolumen deutlich kleiner und der Bibliotheksverbund viel dezentraler organisiert als in Zürich: Die über 20 Zweigstellen haben alle ihre eigenen Medienbudgets, so dass wir nicht nach WTO-Richtlinien international ausschreiben mussten. Zum Glück, wie ich finde. So konnten wir versuchen, die Balance zwischen dem für uns wirtschaftlich Notwendigen – einem effizienten Einsatz der öffentlichen Mittel – und der Verantwortung für den lokalen Buchhandel zu finden. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir als grosser Akteur im Ökosystem Buch den unabhängigen Buchhandel als wichtigen Partner brauchen.

Ein weiteres Thema bei Pestalozzi war, dass die Bibliothekarinnen und Bibliothekare nicht mehr selber einkaufen können. Wird das bei euch auch geändert?
Auch da gehen wir einen etwas anderen Weg als die Pestalozzi-Bibliothek. Das Lektorat – so bezeichnen wir die Auswahl der Medien – wird weiterhin zu grossen Teilen in der Verantwortung der einzelnen Zweigstellen liegen. Aber wir werden künftig mehr mit Standing Orders für gewisse Bereiche arbeiten, um auch hier Ressourcen zu sparen. Es ist meines Erachtens sinnlos, dass jede Filiale die Diogenes-Vorschau durchblättert und einzeln entscheidet, den neuen Donna Leon zu bestellen. Die Vorgabe für die Lektorate ist, mindestens 30 Prozent ihrer Bestellungen beim SBD als Standing Order zu tätigen. Für welche Bereiche genau, entscheiden sie selbst, seien es Krimis, Bestseller, oder Schweizer Autorinnen und Autoren.

Möchten Sie auch das Signal aussenden, dass die Partnerschaft grosser Bibliotheken mit dem lokalen Buchhandel ein Zukunftsmodell ist?
Als Neueinsteiger in die Bibliothekswelt habe ich mir sehr genau angeschaut, wie es die Kolleginnen und Kollegen machen. Die öffentlichen Bibliotheken stecken alle in einem Transformationsprozess. Wir wandeln uns von reinen Büchereien zu Begegnungsorten, wo man sich ohne Konsumzwang aufhalten kann, um zu lernen, zu arbeiten, sich auszutauschen. Dafür müssen Mittel anders eingesetzt werden, mehr für Vermittlung, Veranstaltungen, Netzwerke. Wir in Bern hinken da etwas hinterher, was aber den Vorteil hat, dass wir schauen konnten, was wo wie funktioniert oder auch weniger. So haben wir versucht, das Beste aus den verschiedenen Modellen umzusetzen. Die von uns gewählte Variante ist dadurch etwas komplexer, aber das nehmen wir in Kauf. Es ist uns einfach wichtig, dass wir die Expertise unserer Mitarbeitenden bei der Bestandespflege erhalten und weiter mit unseren Buchhandelspartnern vor Ort zusammenarbeiten können.

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