Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 27/2023 vom 06. Juli 2023
4. Blaukreuz-Verlag in Bern
4. Schliessung nach 136 Jahren
Der Blaukreuz-Verlag in Bern schliesst nach 136 Jahren. Er ist der Buchverlag von Das Blaue Kreuz. Die Organisation wollte – in Anlehnung an das kurz zuvor gegründete Rote Kreuz – medizinische und soziale Hilfe bei Alkoholsucht leisten, die als Forlge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert grassierte. Die Aufklärungsschriften, mit denen man von Tür zu Tür zog, wurden im eigenen Verlag produziert. Ab dem zweiten Weltkrieg wurde daraus ein eigenständiger Buchverlag. Der Best- und Longseller des Verlags ist «Der Räuber Knatter-Ratter» von Käthi Bhend und Ursula Lehmann-Gugolz. Das Bilderbuch erschien 1981 und wird bis heute 300-mal im Jahr verkauft. Verlagsleiterin ist Barbara Graber.
Barbara Graber, Sie wurden 2019 Verlegerin des Blaukreuz-Verlags, nun müssen Sie ihn schliessen. Wie kam das?
Barbara Graber: Als ich vor vier Jahren dazustiess, war bereits klar, dass der Verlag im heutigen Umfeld nicht mehr zeitgemäss ist. Unsere treuste Stammkundschaft sind Mitglieder, die sich für ein Leben in Alkohol-Abstinenz verpflichtet haben. Inzwischen gibt aber nicht mehr viele dieser klassischen Blaukreuzler, wie sie sich nennen. Es ging bei meiner Anstellung um die Frage: Wie weiter mit dem Verlag? Auch eine Schliessung stand dabei bereits im Raum. Sie sollte sorgfältig geplant und durchgeführt werden.
Im Blaukreuz-Verlag erschienen auch Kinderbücher. Wie passt das ins Programm?
Kinderbücher vorlesen ist Suchtprävention. Davon sind wir überzeugt. Auch Vorlesen im Alter ist Prävention gegen Sucht oder Einsamkeit. Wir betreiben eine kleine Versandbuchhandlung, die gerade von Menschen in Altersheimen rege benutzt wird. Oft schicken sie einen Bestelltalon oder rufen an für eine Bestellung. Bücher für Menschen, die sowohl im Internet wie auch im öffentlichen Raum nicht gross unterwegs sind, sind wichtig! Die Verkaufszahlen in diesem Sektor stiegen die letzten Jahre. Aber es genügte nicht, um den Verlag fortzuführen.
Warum nicht?
Der Name wurde mit einer christlichen Organisation in Verbindung gebracht, obwohl das heute keine Rolle mehr spielt, das war wohl ein Nachteil. Es gelang uns die letzten Jahre nicht, eine Verlagsvertretung zu finden. Unsere Buchhandlungszahlen waren darum stetig rückläufig.
Hofften Sie, den Verlag in die Zukunft führen zu können?
Als erstes erarbeitete ich tatsächlich ein Konzept mit der Ausrichtung auf Vorlesebücher für Kinder und ältere Menschen. Darin sah ich unsere Marktchance, denn gerade Vorlesebücher für ältere Menschen macht meines Wissens kein anderer Verlag in der Schweiz. Mit der Reihe «Berndeutsche Geschichten», die extrem beliebt ist bei älteren Menschen, waren wir bereits gut aufgestellt. Es handelt sich um Alltagsgeschichten in Grossdruck und leichter Ausführung. Alters- und Pflegeheime in der ganzen Schweiz reissen uns die Büchlein fast aus den Händen. Wir werden jetzt eine neue Heimat für sie finden.
Wie kamen Sie zum Blaukreuz-Verlag?
Ich arbeitete lang bei Zeitschriftenverlagen und wollte das Buchwesen kennenlernen. Zum Einstieg besuchte ich den SBVV-Quereinsteigerkurs Verlagswesen. Nun betreibe ich die Abwicklung des Verlags mit dem gleichen Engagement, das ich für den Aufbau hatte. Ich will gute Lösungen finden für unsere Künstlerinnen und Künstler, für unsere Bücher und Projekte. Die Lieferbarkeit unserer Bücher bleibt für mindestens zwei Jahre gewährleistet. Die Organisation Das Blaue Kreuz bleibt ja bestehen.
In der nächsten Ausgabe des Schweizer Buchhandels (6/2023) beantwortet Barbara Graber unseren »Fragebogen an eine Verlegerin».
Weitere Themen:
1. Umsatzentwicklung im Juni 2023
1. Solide Zahlen
2. Bern
2. Diplomfeier am Dienstag
3. Winterthur
3. Diplomfeier am Mittwoch
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5. Titel einreichen bis 30. September
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10. Neuer Präsident
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12. Ausschreibung
12. Wortmeldungen Ulrike Crespo Literaturpreis