Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 39/2019 vom 17. Oktober 2019
2. Nobelpreis an Kampa-Autorin Olga Tokarczuk
2. Interview mit Daniel Kampa
Als letzte Woche der Nobelpreis 2018 an die polnische Autorin Olga Tokarczuk ging, richteten sich alle Augen auf den Schweizer Kampa Verlag: Sämtliche deutschsprachigen Rechte ihres Werks liegen beim jungen Zürcher Verlag. 2019 sind bereits "Unrast" und "Die Jakobsbücher" erschienen. Interview mit dem Verleger Daniel Kampa auf der Frankfurter Buchmesse:
In den sozialen Medien sieht man das Team des Kampa Verlags: Alle sitzen vor dem Computer, hören der Verkündung der Nobelpreisträger zu und brechen dann in wilden Jubel aus. Das Video endet in euphorischem Freudengeheul - wie ging es danach weiter?
Seit der Verkündung stehen die Telefone nicht eine Minute still, und die Posteingänge sind überflutet: Innerhalb weniger Minuten waren alle Exemplare von Unrast und den Jakobsbüchern, die wir noch am Lager hatten, vergriffen. Uns haben unglaublich viele herzliche Glückwünsche erreicht - von Kollegen, Dienstleistern, Freunden. Noch hatten wir nicht die Zeit, allen zu danken. Wir haben Nachdrucke in Auftrag gegeben, den Messestand umdekoriert, eine internationale Pressekonferenz in Düsseldorf organisiert. Da die Autorin gerade für uns auf Lesereise in Deutschland ist - als die Schwedische Akademie sie angerufen hat, war sie irgendwo auf der Autobahn zwischen Potsdam und Bielefeld -, erhalten wir Presseanfragen aus aller Welt: Ein türkisches Fernsehteam wollte wissen, wohin es fliegen muss, um Tokarczuk zu filmen, ein amerikanischer Radiosender wollte ein Interview mit "Olga" und unterstrich die Dringlichkeit mit dem Satz: "Wir haben 30 Millionen Hörer!" Erst irgendwann spät am Abend haben wir dann endlich die Zeit gefunden, um anzustossen.
Der Kampa Verlag ist jung und das Team noch nicht so gross. Wie stemmen Sie zu dem ohnehin schon beeindruckenden Programm nun auch noch die überraschenden Zusatzaufgaben?
Mit sehr langen Arbeitstagen, Nacht- und Wochenendschichten. Aber eine schönere Belohnung für die viele Arbeit kann man sich natürlich kaum vorstellen! Trotzdem: Ich danke meinem Team und unseren Vertretern sehr für ihren unermüdlichen Einsatz!
Sie schauen bestimmt nicht jeder Nobelpreisverkündung im Live-Stream zu - woher kam Ihre Vorahnung?
Als Verleger verfolgt man die Verleihung schon. Und in diesem Jahr noch ein bisschen aufmerksamer, weil Olga Tokarczuk in verschiedenen nationalen und internationalen Rankings als Kandidatin gehandelt wurde. Wir haben gehofft und die Daumen gedrückt - und es hat geklappt. Ich kann es immer noch nicht richtig glauben.
Wie sind Sie eigentlich auf Olga Tokarczuk aufmerksam geworden?
Olga Tokarczuk ist seit vielen Jahren eine meiner Lieblingsautorinnen. Das ist das Schöne am eigenen Verlag: Man kann die Bücher machen, die AutorInnen verlegen, die einem wirklich am Herzen liegen. Als ich Die Jakobsbücher, Tokarczuks neuesten Roman, angeboten bekam, musste ich natürlich trotzdem überlegen: 1200 Seiten! Das bringt einen kleinen Verlag an seine Grenzen. Allein für das Papier haben wir 12’000 Euro vorab zahlen müssen. Wir haben dann nicht nur die deutschsprachigen Rechte an ihrem neuen Roman, sondern gleich an ihrem Gesamtwerk erworben, insgesamt acht Titel.
Noch nicht alle Bücher von Olga Tokarczuk sind auf Deutsch erschienen - holt der Kampa Verlag das jetzt nach?
Wir möchten Olga Tokarczuks Gesamtwerk so schnell wie möglich wieder der deutschsprachigen Leserschaft zugänglich machen. Noch in diesem Jahr werden die Romane "Taghaus Nachthaus", "Ur und andere Zeiten" und "Gesang der Fledermäuse" erscheinen, für den die Autorin in diesem Jahr auf der Shortlist des Man Booker Internationale Preis stand. Und im nächsten Jahr gibt es wieder etwas Neues zu lesen.
Bestimmt haben Sie Frau Tokarczuk direkt angerufen - was waren Ihre ersten Worte an die frischgebackene Preisträgerin?
Ich habe Olga Tokarczuk telefonisch gratuliert und mich bedankt, dass sie mir ihr Werk anvertraut hat. Am Tag nach der Verkündung habe ich sie in Düsseldorf getroffen, wo wir eine internationale Pressekonferenz organisiert haben. Allein ihr Mann, der sie auf ihrer Lesereise begleitet, hatte 300 ungelesene SMS, von Mails und Anrufen ganz zu schweigen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das erst bei der Autorin selbst aussehen muss.
(Interview: Julia Knapp)
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12. Büchergilde Gutenberg
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