Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 47/2022 vom 15. Dezember 2022
15. In memoriam
15.
Der Illustrator Wolf Erlbruch (1948–2022) ist gestorben
Er hat diese Welt verlassen, aber er hat uns eines der besten Bilderbücher über den Tod hinterlassen. Nehmen Sie es zur Hand, so ruhig und zugewandt wie sein Knochenmann die tote Ente aufs Wasser legt, um sie auf ihre letzte Reise zu schicken.
Er hat dem Maulwurf die Kacke so gekonnt auf den Kopf gezeichnet, dass das Tabuthema zum Familienhit und zum internationalen Erfolg werden konnte.
Er hat alle wichtigen Preise erhalten und auch sonst viel Aufmerksamkeit. Zu Recht, denn wer über Bilderbücher sinnieren will, findet in seinem Werk Denkanstösse ohnegleichen. Jede seiner Neuerscheinungen überraschte und klang nach Innovation.
Er hat – auf meine Frage nach seinem stilbildenden Einfluss – geantwortet, das sei eine Technik, kein Stil. Das war und ist sicher befreiend für alle, denen man sagte, sie würden ihn kopieren. Heute bilanziere ich dennoch: Seine Artistik der kühn geschnittenen Papiere, ob bedruckt oder selbst bearbeitet, die Spannung in seinen collagierten Illustrationen zwischen zweidimensionalen Mustern und dreidimensionalen Figuren, das war mehr als nur Technik.
Er hat wohl auch so reagiert, weil er auf seine Weise die Jüngeren ermutigen wollte. Dass man in den Arbeiten seiner Studierenden den Stil des Meisters nicht sieht, ehrt ihn ebenso.
Er hat aus sperrigen Texten raffinierte Inszenierungen entwickelt. Er hat gezeigt und gezeichnet, dass auch das Böse oder das Belastende sensible Seiten hat und reich ist an Nuancen.
Er hat ungern von sich geredet und auch nur zögerlich über seine Werke. Trotz immer grösserem Erfolg immer verhaltener. Oder war er nur ein Flüsterer, wenn es um ihn ging? Ich erinnere mich, dass er von seinem Sohn Leonard in höchsten Tönen sprach, damals noch ein Bub, dessen Kritzeleien den Vorsatz im gleichnamigen Buch zierten.
Er hat nicht einfach illustriert. Er war ein stilsicherer Grafiker, der Leere, Typografie und Bildspannung im Griff hatte. Das zeigen auch seine Kalender, Plakate und Buchcover oder die Klassiker-Werbung für den Hanser-Verlag.
Er war einer der grössten weltweit und in Deutschland der wichtigste – seit Walter Trier? seit Wilhelm Busch? Diese Fixsterne müssen benannt sein, auch weil er wie sie einfach zeichnete, für Erwachsene, für Kinder. Wenn ich die Genialität seiner Zeichnungen bewundere, die Monika Bilstein, seine langjährige Verlegerin beim Peter-Hammer-Verlag, in 3 Skizzenbüchern zugänglich machte, dann sehe ich ihn flüstern, werde leise und staune über die Zwischentöne. Laut sei aber verkündet: Er war nicht nur der pointensichere Zeichner von Charakteren in Tiergestalt und schon gar nicht bloss für Kinder. Er war und bleibt ein Menschenbeobachter und empathischer Textversteher – und aus dieser Haltung heraus ein ganz grosser Künstler.
Hans ten Doornkaat
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