Schweizer Buchhandels- und
Verlags-Verband SBVV

Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 34/2023 vom 13. September 2023

1. Schweizer Buchpreis
1. Das sind die Nominierten

Für den Schweizer Buchpreis 2023 hat die Jury 85 Titel aus 55 Verlagen geprüft. Jurysprecher Michael Luisier: «Die ausgewählten Bücher überzeugen durch sprachliche Präzision und Virtuosität, aussergewöhnliche Settings und existentielle Stoffe. Wir lesen von der Auseinandersetzung mit einem Kindheitstrauma genauso wie von einer sich immer fremder anfühlenden Welt. Wir begegnen einem Menschen, dessen Verhalten so ehrlich und wohlwollend ist, dass man es kaum glauben kann, lachen über eine historische Posse so lang, bis wir erkennen, dass sie gar nicht erfunden ist, und staunen über den geglückten Versuch, mit literarischen Mitteln Unsagbares zu sagen. Ein beachtlicher Jahrgang.»

Nominiert sind (alphabetisch sortiert):

«Sich lichtende Nebel» von Christian Haller, Luchterhand
Das neue Werk des Autors führt die Lesenden nach Dänemark. Dort formulierte Werner Heisenberg 1925 seine revolutionären Erkenntnisse zur Quantenmechanik, die für die klassische Physik ganz neue Wege eröffnete. Christian Haller erzählt in seiner Novelle, wie der Physiker dazu gekommen ist: Werner Heisenberg beobachtet im nächtlichen Kopenhagen, wie ein Mann im Lichtkegel einer Laterne auftaucht, wieder im Dunkel verschwindet und im Licht der nächsten Laterne erneut erscheint. Hätte Heisenberg nicht gerade stets zum richtigen Zeitpunkt hingeblickt, wäre der Beobachtete für ihn inexistent geblieben. Dieser ahnt im Übrigen nicht, dass er die klassische Physik einen gehörigen Sprung nach vorn gebracht hat. Viel zu sehr ist Helmstedt – so der Name des fiktiven Unbekannten – damit beschäftigt, den Verlust seiner Frau zu verkraften und seinem Leben eine neue Ausrichtung zu geben. Diese beiden durch Zufall verknüpften Lebenswege macht der Autor zu einem literarischen Gesamtwerk über Trauer und Einsamkeit, und er geht der Frage nach, wie das Neue in unsere Welt kommt.

«Mr. Goebbels Jazz Band» von Demian Lienhard, Frankfurter Verlagsanstalt
Für seinen ersten Roman «Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat», Frankfurter Verlagsanstalt 2019, wurde Demian Lienhard 2020 mit dem Schweizer Literaturpreis des BAK ausgezeichnet. Für seinen zweiten Roman bedient sich der Autor erneut eines historischen Stoffs: dem Zweiten Weltkrieg. Im Frühling 1940 wird auf Anweisung von Joseph Goebbels für den Auslandradiosender Germany Calling die Mr. Goebbels Jazz Band gegründet. Die besten Musiker gehören ihr an – darunter auch Ausländer, Juden und Homosexuelle. Millionen von britischen Haushalten hören den anti-alliierten Hetztexten sowie Star-Moderator William Joyce zu. Dieser soll den Erfolg «an der Front im Äther» auch literarisch dokumentieren lassen, und er wählt dafür den Schweizer Schriftsteller Fritz Mahler aus. Doch der – fiktionale – Autor tut sich schwer mit dem Schreiben eines Propagandaromans über die Band: Die Musiker sind voller Skepsis, seine Auftraggeber sind gefährlich. Für die Recherche an diesem Roman lebte Demian Lienhard längere Zeit in Galway, London, Berlin und Bern.

«Bild ohne Mädchen» von Sarah Elena Müller, Limmat
Das Debüt der Autorin ist im linksalternativen Milieu der 1990er-Jahre angesiedelt – und im Schatten der sexuellen Revolution in den 1960er-Jahren sowie dem Aufkommen neuer Medien: Die Eltern eines namenlosen Mädchens kümmern sich vor allem um ihre eigenen Angelegenheiten. Weil das Kind daheim nicht fernsehen darf, verbringt es viel Zeit im Nachbarhaus. Dort lebt Medientheoretiker Ege, der das Mädchen zu filmen beginnt. Die vergeistigten Eltern ahnen nicht, was im Nachbarhaus passiert; auch dann nicht, als das Kind das Bett nässt und kaum mehr spricht. Nur die Kindergärtnerin warnt, wird aber nicht gehört. Das Kind sucht Zuflucht bei einem Engel, den es auf einer von Eges Videokassetten gesehen hat. Acht Jahre lang beschäftigte sich die Autorin mit dem schwer zu verdauenden Stoff, und sie sprach für die Recherche mit Betroffenen sowie einem Täter.

«Glitsch» von Adam Schwarz, Zytglogge
Der zweite Roman des Autors spielt in einer nicht allzu fernen dystopischen Zukunft. Léon und seine Freundin Kathrin haben Beziehungsprobleme und buchen deshalb eine Kreuzfahrt auf der in die Jahre gekommenen Jane Grey. Während sie durch die arktischen Gewässer schippern, in denen die Eisberge nur noch Erinnerungen sind, verschwindet Kathrin plötzlich spurlos. Für Léon beginnt eine wahre Odyssee im metallenen Bauch der Jane Grey. Denn das Schiff und auch die Passagiere sind nicht das, was sie zu sein scheinen. Léon offenbart sich eine Welt, die nach ganz eigenen Gesetzen und Regeln funktioniert und irgendwie verzerrt ist; als ob er sich in einem Computerspiel bewege, das von einem Glitch befallen ist – einem Fehler, der zu verzerrten und falsch zusammengesetzten Figuren oder Rissen in der Spielwelt führt. Fünf Jahre arbeitete Adam Schwarz, der eigentlich Florian Oegerli heisst, an seinem Roman, wobei er die Geschichte immer wieder komplett umschrieb.

«Der graue Peter» von Matthias Zschokke, Rotpunkt
Peter arbeitet in einem Verwaltungsbüro in Berlin und erfährt von der Polizei, dass sein kleiner Sohn gestorben ist. Kurze Zeit später wird er nach Nancy geschickt, um den dortigen Behörden eine Grussbotschaft zu überbringen. Auf der Rückreise vertraut eine verzweifelte Mutter Peter ihren Sohn Zéphyr an. Er soll den Jungen bis nach Basel zu begleiten, wo dessen Onkel auf ihn wartet. Eher widerwillig nimmt sich Peter des Kinds an, das im selben Alter wie sein Sohn ist. Zaghaft entwickelt sich eine Beziehung, getragen von schrägen Kindereien und der einen oder anderen Verrücktheit. Die beiden fahren über Umwege nach Basel, wo die gemeinsame Reise jedoch ein abruptes Ende nimmt.

Der Schweizer Buchpreis ist mit insgesamt 42‘000 Franken dotiert. Der Preisträger oder die Preisträgerin erhält 30‘000 Franken; die vier anderen der Shortlist erhalten jeweils 3000 Franken. Die öffentliche Preisverleihung findet am Sonntag, 19. November, um 11 Uhr im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals BuchBasel im Theater Basel statt. Der Eintritt ist frei. Die Platzanzahl ist beschränkt. Gratis-Tickets können ab dem 5. Oktober unter buchbasel.ch bezogen werden. Die Jury des Schweizer Buchpreises 2023 setzt sich zusammen aus: Sieglinde Geisel, freie Kritikerin und Schreibcoach; Laurin Jäggi, Buchhändler, Inhaber Buchhandlung Librium, Baden, Neu; Michael Luisier, Literaturredaktor SRF, Neu; Joanna Nowotny, Literaturwissenschaftlerin, Mitarbeiterin am Schweizerischen Literaturarchiv und freischaffende Journalistin, Neu; Yeboaa Ofosu, Kulturwissenschaftlerin und Literaturexpertin. Unterstützt wird der Schweizer Buchpreis von der Buchhandlung Orell Füssli, der Emil & Rosa Richterich-Beck Stiftung, der Forlen Stiftung, dem Schweizer Bücherbon sowie rund 20 Partnerbuchhandlungen und Bibliotheken. Die Lesetour der Nominierten wird unterstützt von Pro Helvetia. Die Lesetour der Nominierten umfasst zehn Stationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Weitere Themen:

2. Digitale Buchtage Schweiz
2. Gespräche, Special Guest und Moderationen von Marah Rikli und Monika Schärer

3. Hotlist
3. Zehn Titel gewählt - Limmat dabei

4. Literaturfestival Olten
4. Buntes Programm, Ehrenpreis für Franz Hohler, Förderpreis für Rebekka Salm

5. Buchfest in Basel
5. Ein perfekter Geburtstag

6. Diverse Meldungen
6. 

7. SBVV-Weiterbildung
7. 

8. Bayerischer Buchpreis
8. Shortlist

9. Wilhelm Raabe-Literaturpreis
9. Shortlist

10. Kolibri
10. Neues Verzeichnis ist da

11. Preise
11. 

12. SRF-Bücherliste
12. 

Top